Dass er Ende Juni 1577 in Siegen geboren wurde, steht wahrscheinlich in keinem Dokument, er selbst wird als Erwachsener über seinen Geburtsort geschwiegen haben, war die damit verbundene Geschichte doch zu brisant: der barocke Malerfürst Peter Paul Rubens. Seinem Vater Jan (1530-1587) war Ehebruch mit der 2. Ehefrau Wilhelm des Schweigers (1533-1584), Anna von Sachsen (1544-1577), vorgeworfen worden. Nach einem Gefängnisaufenthalt in Dillenburg und der Zahlung einer Kaution lebte die Familie Rubens, die in den politischen und konfessionellen Wirren der Zeit aus Antwerpen nach Köln geflüchtet war, in der kleinen nassauischen Stadt, die sie 1578 verlassen durfte. Bis zu seinem 10. Lebensjahr lebte die Familie Rubens wieder in der Domstadt, dann ging es zurück in die Scheldestadt Antwerpen. Peter Paul, der sich als junger Mann in der Rolle des Pagen übte und damit gesellschaftlichen Schliff erhielt, wollte das Handwerk des Malers ergreifen.
Er absolvierte eine entsprechende Lehre, u.a. bei Adam van Noort (1561/62-1641), und entschied sich nach Abschluss der Meisterprüfung zu einer ausgedehnten Reise nach Italien. Als Hofmaler des Herzogs von Mantua bereiste er nicht nur das für ihn gelobte Land der Bilder und Paläste, er lernte auch das Königreich Spanien kennen. Aus Anlass des Todes der geliebten Mutter kehrte der aufstrebende Maler in die Spanischen Niederlande zurück. Er heiratete Isabella Brant (1591-1626), Tochter aus angesehenem Hause, und wurde Hofmaler der spanischen Statthalter in den Niederlanden. Seinen Wohnsitz wählte der wirtschaftlich denkende, überaus clevere Handwerker in Antwerpen, eröffnete dort eine eigene Werkstatt, die von Anfang an mit Aufträgen überhäuft wurde und in kürzester Zeit zu den angesehensten Malerei-Unternehmen ganz Europas zählte. Der Meister suchte seine Mitarbeiter sorgfältig aus, wählte Experten für Hände, Tiere, Köpfe, Landschaften. Er war der uneingeschränkte Chef, besorgte die lukrativen Aufträge und repräsentierte seine Werkstatt und seine Profession. Schnell gehörten Könige, Kirchenfürsten, Adelige, angesehene Bürgerliche mit entsprechendem Auskommen aus ganz Europa zu seiner Klientel. Er lieferte biblische wie allegorische Bilder und Porträts, aber auch Landschaften und sogar Buchtitel. Oft wurden mehrere Großaufträge, wie der Medici-Zyklus in Paris oder die im frühen 18. Jahrhundert zerstörte Ausstattung der Jesuitenkirche in Antwerpen, parallel bearbeitet. Der unermüdliche Maler begnügte sich keineswegs mit Malerei im großen Stil, er beschäftigte Kupferstecher und den Holzschneider Christoffel Jegher (1596-1562/53) für die Reproduktion seiner Werke. Daneben versuchte sich der politisch Denkende als Diplomat im Dienste der spanischen Niederlande. Seinen Lebensabend verbrachte er an der Seite seiner zweiten, fast 40 Jahre jüngeren, Frau Helene Fourment als unangefochtener Vertreter des flämischen Barock.
Im Siegerlandmuseum im Oberen Schloss werden Werke aus verschiedenen Thematiken und Werkphasen vereint. Sie belegen die arbeitsteilige Atelierarbeit des 17. Jahrhunderts. Man kaufte ein Produkt der Rubenswerkstatt, eigenhändige Arbeiten des Meisters sind selten und waren kaum bezahlbar. Neben einem Selbstbildnis aus der Zeit um 1630 und einer Ölskizze mit der Grablegung Christi gehört das Motiv der Caritas Romana zu den herausragenden Gemälden der Sammlung (alle Verein der Freunde und Förderer des Siegerlandmuseums e. V.). Neben den malerischen Arbeiten spielen die graphischen Reproduktionen nach Rubens Meisterwerken eine entscheidende Rolle. Das Museum besitzt eine der umfangreichsten Sammlungen von Kupferstichen und Radierungen nach Rubens sowie alle neun Motive, die der Holzschneider Jegher nach Zeichnungen des Meisters anfertigte. Alle mit Rubens´ Privilegformel „Cum privilegijs Regis“, seinem Copyright für den Druck von Stichen, versehenen Blätter sind vorhanden und werden in wechselnden Ausstellungen präsentiert. In den Sammlungen des Siegerlandmuseum lässt sich der Bogen spannen von der Kunst des Rubens-Lehrers van Noort über Werke des Meisters bis hin zu Arbeiten seiner Zeitgenossen und seiner Nachfolge. Dazu gehören neben Arbeiten des zeitweiligen Werkstattmitarbeiters Anthonis van Dyck ein trunkener Silen von Jacob Jordaens und eine Madonna mit Kind von Erasmus Quellin. Der Besucher ist eingeladen zu einer spannenden Zeitreise durch die Gedankenwelt der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.